Obwohl Tokio in vielen Bereichen modern ist, hat sich der bargeldlose Handel noch nicht überall durchgesetzt. Es wird noch oft mit Scheinen und Münzen bezahlt, wobei der Umgang mit dem Bargeld für einen Europäer befremdlich sein kann. Angeblich gilt es als unhöflich, einer anderen Person Geld direkt in die Hand zu geben, obwohl ich das oft selbst erlebt habe. Trotzdem gibt es an vielen Kassen kleine Schalen, in die ein Kunde den zu zahlenden Betrag legen kann. Die Rückgabe erfolgt auf ähnliche Weise, wobei Kassierer in Supermärkten gelegentlich dazu tendieren, dem Kunden das Geld in die Hand zu geben. Ein Bezahlvorgang kann vereinzelt zu einem ausschweifenden Ritual führen, wie ich es bei einem Einkauf bei Tower Records in Shibuya erleben konnte. Detailliert erklärte mir der Kassierer, wo auf der Abrechnung der Preis stand und wo derselbe Preis auf der Kreditkartenabbuchung angegeben war. Ich empfand es als positiv, auf diese Art betreut zu werden, und hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, ich würde diesen besonderen Service erhalten, weil ich kein Japaner bin. Das war nicht der Fall. Wie ich anschließend beobachten konnte, wurden sämtliche Kunden vom Verkäufer auf diese Art betreut. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass einige Geschäfte ausschließlich Bargeld akzeptieren. Bei kleinen Geschäften wäre das verständlich, aber erleben konnte ich es auch in einem Cafe der Kette Maid Dreamin. Dort wollten die Maids meine Kreditkarte nicht annehmen. Das sollte man wissen, denn ein Besuch bei Maid Dreamin kann teuer werden. Vielleicht war ihr Kreditkartengerät an dem Tag aber auch nur defekt. Ich habe die Erfahrung gemacht, in Tokyo am liebsten mit Geldscheinen zu bezahlen, was zur Folge hat, dass sich vom Wechselgeld schnell eine große Anzahl an Münzen in der Geldbörse ansammelt. Man sollte sich die Zeit nehmen, diese fremden Münzen kennen zu lernen, um mit ihnen passend bezahlen zu können. Ansonsten wird der Ballast, den man herum trägt, täglich größer. Mit einer Handvoll 100 Yen Münzen kann ein kleinerer Einkauf im Supermarkt ebenso beglichen werden, wie mit einem 1000 Yen Schein. Einer der einfachsten Wege, Münzen loszuwerden bieten Getränkeautomaten. Für einen Betrag zwischen 100 und 150 Yen findet man ein abwechslungsreiches Sortiment an Softdrinks und koffeinhaltigen Getränken. Leider akzeptieren Automaten keine Stücke von fünf und ein Yen. Diese Münzen auszugeben ist ein Problem, außer man macht sie die Mühe, in Geschäften genau passend zu bezahlen und das Kleingeld zuvor herauszusuchen. Eine andere Möglichkeit für Produkte und Dienstleistungen zu bezahlen, bieten die Karten von Pasmo und Suica. Bei beiden handelt es sich um so genannte »Smart Cards«, die vom Besitzer mit Bargeld aufgeladen werden können. In Tokio kommen die Karten hauptsächlich bei den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Einsatz und wer geplant hat, viel mit der Metro zu fahren, kommt um eine dieser Karten kaum herrum. Das Leben in der japanischen Hauptstadt wird mit ihnen erheblich einfacher und die Benutzung der Karten in der Metro ist leicht. Möchte man einen Bahnsteig betreten, genügt es, die Karte an der Schranke auf den entsprechenden Sensor zu legen und der Weg wird freigegeben. Im Idealfall muss die Karte nicht aus der Geldbörse entnommen werden. Nachdem man in das System »eingecheckt« hat, kann man nach Herzenslust mit der Bahn fahren. Abgerechnet wird erst, wenn man die Metro durch eine weitere Schranke wieder verlässt und aus dem System »auscheckt«. Das kann auch beim Umstieg auf einen anderen Bahnstrecke nötig sein, denn in Tokio gibt es mehrere Betreiber für die unterschiedlichen Strecken. Bei dem ein- und auschecken wird von den Schranken immer der auf der Karte noch vorhandene Betrag angezeigt. Die Ausgabe neuer Karten sowie der Aufladevorgang sind vollkommen automatisiert und die Benutzeroberfläche der Automaten kann auf die englische Sprache umgestellt werden. Neue Pasmo und Suica Karten bekommt man an den meisten großen Metro-Stationen, Automaten zum Aufladen an fast jedem Bahnhof. Zusätzlich zu den öffentlichen Verkehrsmitteln kann an manchen Getränkeautomaten und einigen Geschäften mit den Karten bezahlt werden. Sollte der Bargeldbestand zur Neige gehen, kann sich der finanzkräftige Reisende an Geldautomaten mit Scheinen versorgen. Wie in den USA tragen die Automaten die Bezeichnung ATM (Automated Teller Maschine) und man findet sie nicht selten in Supermärkten. Das mag ungewöhnlich erscheinen, weil die Geschäfte aber oft 24 Stunden geöffnet sind, ist es eine gute Lösung. Allerdings sind die Automaten gelegentlich in den hinteren Ecken der Geschäfte versteckt. Man muss sich genau umschauen, um sie zu finden. An freistehende Geldautomaten kann ich mich in Tokio nicht erinnern, zumindest habe ich nie eine ATM benutzt, die nicht in einem Supermarkt stand. Jedoch gibt es, zumindest im Stadtteil Akihabara, Automaten, die Euro Geldscheine in Yen umtauschen. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, standen diese Automaten, vor, und nicht in einem, Geschäft. Angeblich findet man ATM auch in Postämtern, jedoch muss ich zugeben, in Tokio nie ein Postamt betreten zu haben. Um Geld vom eigenen Konto abzuheben, genügt eine reguläre Karte der Bank, wenn es sich dabei um eine Mastercard handelt. Eine Kreditkarte ist nicht erforderlich. Die ATM-Automaten sind leicht zu bedienen. Bei vielen Geräten kann verwendete Sprache ausgewählt werden. Geldautomaten haben in Japan gelegentlich die Angewohnheit, sich zu bedanken und das tun sie, indem die Maschine mit dem Kunden spricht. Bitte nicht erschrecken! Einige Automaten sind mit Halterungen für Becher und Regenschirmen ausgestattet. Typisch japanischer Komfort.
Eine Straße in Tokio ist ohne Automaten mit Getränken nur schwer vorstellbar. Die Maschinen stehen an Straßenecken, vor fast jedem Supermarkt und auch sonst an vielen Stellen, an denen Platz ist. Bemerkenswert ist dabei der Umstand, dass die Geräte scheinbar nicht von einer zentralen Stelle bestückt werden, sondern die Besitzer für den Bestand ihrer Automaten verantwortlich sind. Anders sind die komplett unterschiedlichen Sortimente nur schwer zu erklären. Es gibt zwar Getränke, die in vielen Automaten zu finden sind, trotzdem stießen wir immer wieder auf Angebote, die wir zuvor noch nie gesehen hatten. Außerdem gibt es Automaten für heisse und für kalte Getränke. Die Bestückung ist jedoch abhängig von der Jahreszeit. Im Sommer führen die Maschinen fast ausschließlich gekühlte Erfrischungen. Wir hatten immer großen Spaß daran, unbekannte Getränke zu probieren, und wurden dabei nicht selten überrascht. Die Firma Kirin, so mussten wir an unserem ersten Abend in Tokio lernen, verkauft nicht nur Bier, sondern auch eisgekühlten schwarzen Kaffee in Dosen. Ein Getränk, dass sich in Japan großer Beliebtheit erfreut. Für uns, die nach der langen Reise auf ein kühles Bier gehofft hatten, war es eine »ernüchternde« Erfahrung. Automaten, die alkoholhaltige Getränke anbieten, gibt es Tokio tatsächlich nur selten. Einige der beliebtesten Maschinen stehen unter einer Trasse der Yamanote-U-Bahn-Linie zwischen der Station Yurakucho und der Hibiya Clinic. Wir haben von diesem Ort aus einem Video des YouTube-Kanal Only in Japan to Go erfahren und waren am Vorabend unseres zweiten Rückflugs zum ersten Mal dort. Es ist ein Treffpunkt für Menschen aller Berufsgruppen. Büroangestellte in Anzügen stehen neben Arbeitern in Warnwesten und alle tranken, mehr oder weniger schweigend, ihr Bier. Besonders ansehnlich ist dieser Ort nicht und in dem Video von Only in Japan wird erwähnt, dass die Stadt die Automaten eventuell entfernen wird. Das wäre schade, denn dieser Treffpunkt ist ein gutes Beispiel für das tägliche Leben in Tokio, abseits der Wolkenkratzer und der Tempel. Im Mai 2019 gab es die Automaten dort noch.
Neben den Getränkeautomaten sind Supermärkte ebenfalls eine hervorragende und preiswerte Möglichkeit, japanische Lebensmittel auszuprobieren. Supermärkte gibt es in großer Zahl und viele Märkte haben 24 Stunden geöffnet. Ohne Kenntnisse der japanischen Sprache habe ich die Lebensmittel in den Supermärkten in zwei Kategorien unterteilt: Die Artikel, bei denen man an der Verpackung erkennen kann, was sie enthalten und die Kategorie, bei denen das nicht möglich ist. Beispielsweise kann man bei einem Tetrapack mit einer aufgedruckten Kuh relativ sicher sein, es mit Milch zu tun zu haben. Verpackungen, die ihren Inhalt nicht zweifelsfrei preisgeben, erfordern Risikobereitschaft oder Experimentierfreude. Bei einem meiner Einkäufe landete ich unfreiwillig erneut bei gekühltem schwarzen Kaffee. In den meisten Supermärkten gibt es am Morgen frische Onigiri. Das sind Reisbällchen gefüllt mit Fisch, Huhn oder Gemüse. Diese entwickelten sich für mich schnell zu einem perfekten Frühstück, denn sie sind günstig, schmecken gut und halten lange satt. Onigiri in Supermärkten sind eines der Dinge, die ich in Deutschland vermisse. Den frisch gebrühten Automatenkaffee aus den Geschäften, haben wir ebenfalls in guter Erinnerung. Viele Supermärkte verkaufen Fertiggerichte, die auf Wunsch direkt im Geschäft aufgewärmt werden. Dabei handelt es sich nicht um verpackte Waren, sondern um Teller, häufig mit Nudelgerichten, die lediglich mit Frischhaltefolie überzogen sind. Wenn man mit einem solchen Teller zur Kasse geht, wird der Kassierer mit hoher Wahrscheinlichkeit fragen, ob es das Gericht aufwärmen soll. Bei einem Europäer oft verbunden mit einer Geste zu den Mikrowellengeräten die meistens hinter der Klassentheke stehen. Jetzt sollte ein einfaches »Hai« genügen, um die Unterhaltung abzuschließen. Wir jedenfalls, mussten unsere Nudeln nie kalt essen und selbstverständlich bekommt der Kunde Besteck zu seiner Mahlzeit. Das ist ebenfalls eine Besonderheit japanischer Supermärkte. Viele Lebensmittel werden so verkauft, dass man sie sofort essen kann. Besonders beliebt war bei uns ein Blaubeerjogurt, den wir immer mit einem Pastiklöffel bekommen haben. Zu Getränken in Tetrapack erhält man meistens einen Strohhalm. Wie an andere Stelle erwähnt, haben die Japaner ein ganz besondere Beziehung zu ihrem Müll. Uneingeschränkt empfehlen kann ich japanischen Süssigkeiten und damit meine ich nicht ausschließlich die unzähligen Sorten KitKat. Alles was mit Schokolade zu tun hat, ist großartig. Auch Nüsse und ähnlichen Produkte verdienen es, ausprobiert zu werden, obwohl die Packungen, verglichen mit Deutschland, oft wenig Inhalt bieten. Das ist schade, weil alle Produkte lecker schmecken. Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, dass wir eine Süßigkeit nicht komplett aufgegessen haben.
Geschäfte sind in Tokio gelegentlich anders aufgebaut, als die Ladenlokale, die wir das aus Europa gewohnt sind. Grundfläche ist knapp und teuer und deshalb bauen die Japaner nicht in die Breite, sondern nach oben. Viele Länden erstrecken sich oft über mehrere Stockwerke und das ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen. In kleineren Geschäften ist es manchmal nur eine unscheinbare Tür, die zu einem Treppenhaus führt. In den oberen Stockwerken werden die Geschäftsräume dann fortgeführt. Für mich war das eine überraschende Erkenntnis, denn ich war es nicht gewohnt, in Geschäften verschlossene Türen zu öffnen. In Tokio ist das nichts Besonderes und es ist auch nicht ungewöhnlich, wenn sich ein Geschäft oder Restaurant in einem der oberen Stockwerke eines Gebäudes verbirgt. Ein gutes Beispiel ist The Rising Sun, der älteste englische Pub in Tokio. Ohne Hilfe hätten wir diese Bar nicht gefunden. In Europa erwartet ich eine Bar im Erdgeschoss, meistens mit einem Eingang direkt zur Straße.
Geschrieben am: 26.04.2020 Tags: Japan, Tokio, Reisen, Asien